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Ötzi. Der Mann aus dem Eis

Dr. Ursula Warnke, Direktorin Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg (rechts) und Mitarbeiterin Tosca Friedrich Torsten von Reeken
calendar_today30.04.2024
access_time09:00 Uhr

Objekte, interaktive Stationen (bis 26. Mai)

An kaum einer Mumie wird so viel geforscht wie an der Eismumie Ötzi. Seit ihrer Bergung in den Ötztaler Alpen im Jahr 1991 hat die Wissenschaft zahlreiche Erkenntnisse über den Mann aus der Kupferzeit gewonnen – was er trug, was er aß, welche Gebrechen er hatte und wie er zu Tode kam. Erst kürzlich sind neue Untersuchungsergebnisse zu seinem möglichen Aussehen veröffentlicht worden. Vom 11. November 2023 bis 26. Mai 2024 präsentiert das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg in Kooperation mit dem Neanderthal Museum Mettmann die Sonderausstellung "Ötzi. Der Mann aus dem Eis". Sie stellt das heutige Wissen rund um Ötzi, seine Lebensweise und seine Todesumstände vor rund 5300 Jahren vor. Eine lebensgroße Rekonstruktion von Ötzi und originalgetreue Repliken von seinen Kleidungsstücken, Waffen und Werkzeugen geben Einblicke in die Materialien und Handwerkstechniken zum Ende der Jungsteinzeit. Interaktive Stationen laden zum spielerischen Eintauchen in Ötzis Lebenswelt ein. Originale archäologische Funde aus der Sammlung des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg bieten Besucher:innen einen faszinierenden Einblick in die Lebenswelt der Menschen, die zur Zeit des Gletschermanns Ötzi in Nordwestdeutschland lebten, die Trichterbecherkultur.

Die Gletschermumie Ötzi wurde im Jahr 1991 in den Ötztaler Alpen in der Nähe der italienisch-österreichischen Grenze entdeckt und ist mit ihrem Alter von etwa 5300 Jahren eine der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Immer wieder erscheinen neue Untersuchungsergebnisse, die das Wissen um seine Person und die Art und Weise wie er lebte und starb schärfen. Die Ausstellung präsentiert anhand einer lebensgroßen Rekonstruktion, wie Ötzi vermutlich ausgesehen haben könnte. Detailgetreue Repliken von Kleidung und Ausrüstungsgegenständen wie beispielsweise sein Mantel aus Ziegenleder, gefütterte Schuhe aus Lindenbast, ein Kupferbeil oder ein Dolch mit Feuersteinklinge zeigen die Materialvielfalt in Ötzis Ausrüstung und zeugen davon, wie gut er für das Leben unter alpinen Bedingungen ausgestattet war. Die Gegenstände lassen auf verschiedenste handwerkliche Techniken und Fertigkeiten schließen, die zur Bewältigung des Alltags in der Steinzeit unerlässlich waren. Interessante Details lassen weitere Rückschlüsse zu seinem Leben zu, z.B. dass er seine Ausrüstung nicht alleine gefertigt hat: Der Pfeil in Ötzis Ausrüstung wurde von einer linkshändigen Person hergestellt, obwohl Ötzi selbst mutmaßlich Rechtshänder war. Seine Kleidung ist aus Leder und Fell und wurde mit äußerst feinen Stichen genäht. An einigen Stellen wurden grobe Reparaturen vorgenommen, die Ötzi womöglich selbst durchgeführt hat. Neben solchen detaillierten Einblicken geben die interaktiven Stationen zur Archäotechnik die Möglichkeit, am Beispiel von Ötzis Ausrüstung die Handwerkstechniken selbst auszuprobieren: so z.B. eine Textiltechnik, das Zwirnen, das Bearbeiten von Feuerstein mit einem Geweihstück, das sogenannte Retuschieren oder das Bohren von Stein. Einen spielerischen Zugang bietet auch eine Selfiestation mit Ötzi-Verkleidungstücken und alpinem Panorama.

Einen besonderen Schwerpunkt widmet die Ausstellung dem, was über Ötzis individuelle Lebens- und Todesumstände bekannt ist: An Ötzis Körper wurden die bislang ältesten bekannten Tätowierungen entdeckt. Über 50 Tätowierungen in Form von Strichbündeln und Kreuzen befinden sich an Stellen, an denen der Mann körperliche Verschleißerscheinungen hatte. Schnittverletzungen an seinen Händen zeugen von einem Kampf, eine – erst auf computertomographischen Aufnahmen zu erkennende – Pfeilspitze im Brustkorb von einem gewaltsamen Tod.

Ötzis nordwestdeutsche Zeitgenossen:
Highlight der Ausstellung im Landesmuseum Natur und Mensch sind auch die originalen archäologischen Funde aus der museumseigenen Sammlung. Sie liefern Einblicke in die Lebensweise von Ötzis Zeitgenossen in Nordwestdeutschland. Denn anders als Ötzis Heimat zeichnet sich das niedersächsische Tiefland durch geringe Höhenunterschiede aus. Es wurde während der Saalekaltzeit geformt und ist gekennzeichnet durch nährstoffarme, sandige Böden, bekannt als die Geest. Um etwa 3300 bis 3100 Jahre vor unserer Zeitenwende waren die Menschen hier sesshaft, rodeten Waldgebiete, betrieben Ackerbau und trieben ihre Viehherden in die Wälder. Diese frühbäuerliche Lebensweise hatte Nordwestdeutschland erst vergleichsweise spät erreicht. Die Trichterbecherkultur – benannt nach einer charakteristischen keramischen Gefäßform – pflanzte Getreide, baute Ölfrüchte wie Lein an und hielt Tiere. Reich verzierte Keramikgefäße, die im Hauswerk hergestellt wurden, zeugen von den handwerklichen Fähigkeiten der Menschen. Die Bestattungen aus dieser Zeit sind eindrucksvolle Zeugnisse: Großsteingräber sind über weite Bereiche Europas verbreitet. Allein in Niedersachsen haben sich ca. 450 Anlagen bis heute erhalten. Diese Grabstätten enthielten Grabkammern für mehrere Verstorbene über mehrere Generationen hinweg. Grabbeigaben wie Keramikgefäße, Steingeräte, Bernsteinschmuck oder älteste Kupfergegenstände geben Einblicke in die Lebensweise der Menschen und lassen Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Stellung der Toten zu.

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